08.03.2024

Weltfrauentag: Invest in Women – es bleibt noch viel zu tun

Der diesjährige Weltfrauentag steht unter dem UN Motto „Invest in Women – accelerate progress“, zu deutsch „In Frauen investieren: den Fortschritt beschleunigen“, und wir fühlen uns angesprochen. Als Tochter der GLS Bank, der ersten sozial-ökologisch nachhaltigen Bank Deutschlands, möchten wir die Transformation der Wirtschaft mitgestalten. Wir wollen Geld dorthin lenken, wo es am stärksten unter sozial-ökologischen Gesichtspunkten gebraucht wird und damit Fortschritt beschleunigen. Geschlechtergerechtigkeit ist schon lange fester Bestandteil unserer Nachhaltigkeitsanalyse. Wie genau diese Analyse aussieht, welche Kriterien hinzugezogen werden und wie Gender und Investments darüber hinaus zusammenhängen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Invest in Women – wie setzen wir Geschlechtergerechtigkeit in unserem Investmentprozess um?

Auswahl der Titel

Bei der Auswahl von Investments für unsere GLS Fonds spielen sowohl ökologische als auch soziale Kriterien eine große Rolle. Dabei wenden wir stets einen ganzheitlichen Ansatz an. An erster Stelle bewerten wir das Geschäftsfeld: Sind die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens als wirklich nachhaltig zu bewerten? Anschließend werfen wir einen detaillierten Blick auf die Geschäftspraktiken: Wie setzt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit um? Hierbei werden u. a. auch die Frauenquote in der Gesamtbelegschaft und der Führungsebene und Maßnahmen, um diese zu verbessern, bewertet. Analysiert werden ebenfalls betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Verringerung des Gender Pay Gaps sowie Antidiskriminierungs- und Whistleblowing-Richtlinien und Umsetzungssysteme. Zusätzlich zu positiven Geschäftspraktiken im Rahmen der Gleichstellung, investieren wir auch in Unternehmen, die speziell auf die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen ausgerichtete Produkte oder Dienstleistungen anbieten und sich dadurch positiv auswirken. Neben Themen der Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigt unser GLS Anlageausschuss in seiner finalen Entscheidung über die Aufnahme eines Unternehmen in das GLS Anlageuniversum viele weitere sozial-ökologische Kriterien. Der GLS Anlageausschuss ist ein interdisziplinäres Gremium aus internen und externen Expert*innen und diskutiert in mehreren Sitzungen pro Jahr die Aufnahme der einzelnen Investments.

Kontroversen bei Titeln

Wenn ein Unternehmen durch kontroversen Umgang mit Fällen von Diskriminierung oder mangelnder Gleichstellung auffällt, kann das ein Ausscheiden des Unternehmens sowohl aus der Vorauswahl als auch aus den GLS Fonds selbst bedingen. In der Vergangenheit sind wir zudem auf die regelmäßige Studie zum Thema Frauen in Führungspositionen der Allbright Stiftung aufmerksam geworden. 2021 haben wir die Studienergebnisse als Anlass genutzt, mit einigen Unternehmen im Anlageuniversum, die sich 0% Frauen als Quote im Vorstand als Ziel gesetzt haben, in den Dialog zu treten. Ziel war es, nicht nur Bewusstsein für die Relevanz von Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen, sondern Auskunft nach konkreten Maßnahmen und Zielsetzungen im Hinblick auf Diversität zu fordern.

Das Beispiel Mikrofinanz

Es lohnt sich ein Blick in den Mikrofinanz Bereich, wenn man in das Wohl von Frauen investieren möchte. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben ist in vielen Regionen weltweit nicht gegeben. Dies betrifft auch den Zugang zu Finanzdienstleistungen. Mikrofinanzfonds refinanzieren Mikrofinanzinstitute im globalen Süden, die der lokalen Bevölkerung Finanzdienstleistungen zur Verfügung stellen. Anhand unserer Kriterien bewerten wir Institute positiv, die überwiegend Kredite an Frauen anbieten.
 

Women in Investments – wie ist der aktuelle Status-Quo in der Asset Management Branche?

Doch nicht nur die Investmentseite ist von der zunehmenden Bedeutung von Kriterien zu Gender Equality betroffen, auch die Arbeitswelt spürt die Auswirkungen dieser Entwicklungen. Die längste Zeit war insbesondere die Asset-Management Branche männerdominiert. Doch auch hier gibt es eine zunehmende Sensibilisierung für die Bedeutung der Geschlechtervielfalt. Seit 2015 veröffentlicht die Universität Mannheim gemeinsam mit KPMG und den Fondsfrauen, dem größten Frauen Netzwerk der Finanzbranche in Deutschland, regelmäßig eine Studie zum Thema Gender Diversity in der deutschsprachigen Asset-Management Industrie. Die aktuelle Studie zeigt: Rund 40 % der Beschäftigten in der Asset-Management-Industrie sind weiblich. Blickt man in höhere Hierarchieebenen, sinkt der Frauenanteil. In Führungspositionen liegt der Frauenanteil bei 26 %, in Geschäftsführungspositionen lediglich bei 13 %. Frauen sind hingegen insbesondere in den sogenannten „Pink Ghettos“ (Marketing- und Personalabteilungen) und weniger im Portfoliomanagement oder Vertrieb vertreten. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie die größte Hürde für Frauen in Führungspositionen bleibt. 5 % der Männer und 73 % der Frauen wechseln nach der Geburt eines Kindes in eine Teilzeitbeschäftigung. Keines der befragten Unternehmen der Studie war bereit, Auskunft zur Lohndifferenz zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten zu geben. Auch für den internen Gebrauch erheben die befragten Unternehmen diese Zahlen aktuell noch nicht.

Im Zeitverlauf zeigt die Studie aber einen positiven Trend, hin zu einer gendergerechteren Arbeitswelt in allen Unternehmensbereichen. Dieser notwendige positive Trend sollte sich in den kommenden Jahren nur noch beschleunigen. So sind Unternehmen, die sich für Vielfalt und Inklusion einsetzen und diverser aufgestellt sind, nicht nur meist erfolgreicher, sondern werden von Beschäftigten und Bewerber*innen anders wahrgenommen und bevorzugt. Mehr Frauen müssen an Investmententscheidungen beteiligt sein, um Kapital möglichst effizient und gerecht zu lenken.
 

Women in der GLS Investments - wie sehen wir Gendergerechtigkeit?

Als Teil der GLS Gruppe wollen wir gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Frauen verdienen in Deutschland pro Stunde 18% weniger als Männer. Laut statistischem Bundesamt lassen sich die Ursachen dieser Verdienstlücke – der „unbereinigten Gender Pay Gap“ – zu 64% „erklären“. Es heißt dort: „Frauen arbeiten häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus, in denen schlechter bezahlt wird“. Zusätzlich arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit und übernehmen mehr unbezahlte Pflegearbeit. Die Verdienstlücke wächst ab einem Lebensalter von ca. 30 Jahren – dem Durchschnittsalter, in dem Frauen in Deutschland ihr erstes Kind bekommen.

Auch in der GLS Gruppe erheben wir den unbereinigten Gender Pay Gap und nutzen ihn intern, um strukturellen Unterschieden und eventuellen Ungerechtigkeiten konsequent entgegen zu wirken. Ende 2023 lag der unbereinigte Gender Pay Gap der GLS Bank bei 7,3 %, im Jahr zuvor lag er noch bei 11,8%. Betrachtet man nur die GLS Investments liegt der unbereinigte Gender Pay Gap bei 11,4 %. 11 von 20 Frauen und 9 von 29 Männer sind in der GLS Investments in Teilzeit beschäftigt. Aktuell ist eine von insgesamt vier Teamleiter*innen weiblich und wir haben zwei männliche Geschäftsführer.

Auch wir können uns also von strukturellen Unterschieden bislang nicht komplett befreien.Führungskräfte können den Gender Pay Gap einsehen, um Ungerechtigkeiten zu erkennen und nachzusteuern. Gleichzeitig arbeiten wir daran, alle Geschlechter dabei zu unterstützen, sich paritätisch um Beruf und Familie zu kümmern. Stellenausschreibungen wurden explizit um Teilzeit- und Jobsharing erweitert – auch für Führungspositionen. Unsere Teamleiter*innen des Nachhaltigkeitsresearch gehen hier mit gutem Beispiel voran und teilen sich die Führungsposition. Frauen können sich in der GLS Bank einem speziellen Mentoringprogramm anschließen. Um strukturelle Ungerechtigkeiten und Verdienstlücken zu schließen, braucht es viel Anstrengung und Ausdauer – das ist uns bewusst.
 

Women invest – aus Gender Pay Gap wird Gender Pension Gap

Eine Studie der Uni Mannheim hat herausgefunden, dass Frauen tendenziell mehr sparen und weniger in den Kapitalmarkt investieren als Männer. Die Gründe dafür sind vielfältig: einerseits tragen die tendenziell niedrigeren Löhne dazu bei, dass Frauen weniger investieren. Andererseits führen Rollenstereotypen und gesellschaftsspezifische Erziehung zu dieser Schieflage. Gleichzeitig zeigen Studien, dass, wenn sie investieren, Frauen häufig bessere Investmententscheidungen treffen als Männer. Die geringere Beteiligung an den Kapitalmärkten in Kombination mit den ohnehin häufig geringeren Einkünften kann dazu führen, dass Frauen finanziell schlechter für die Zukunft aufgestellt sind. 2021 waren die Alterseinkünfte von Frauen fast ein Drittel niedriger als von Männern. Frauen sind daher häufiger von Altersarmut bedroht.
 

Fazit

Das Motto „Invest in Women“ des diesjährigen Weltfrauentags ist auf vielfältiger Ebene passend. Es hat sich einiges geändert, Menschen sind sensibler und viele Frauen kennen die Problemlage. Dennoch werden wir nicht müde, Tage wie den Weltfrauentag zu nutzen, um auf die Thematik Investments und Frauen aufmerksam zu machen. Unsere Kollegin Franziska Peter hat es gut zusammengefasst:

„Damit Frauen auch im Rentenalter gut aufgestellt sind und sich unabhängig versorgen können, gilt es hier frühzeitig vorzusorgen. Die Lohnabstände lassen sich vor allem auf vermehrte Teilzeitarbeit und Unterbrechungen aufgrund der Übernahme von Kinderbetreuung zurückführen. Investieren ist besonders sinnvoll, wenn so wenig(er) in Vorsorgesysteme eingezahlt wird. Daher möchte ich den diesjährigen Weltfrauentag für einen Appell nutzen: Investiert Geld, liebe Frauen, und besteht darauf, dass Sparpläne, Versicherungsbeiträge usw. möglichst weiterlaufen, wenn ihr den großen Teil der unbezahlten Arbeit übernehmt und dadurch die Lohnunterschiede zu Partner*innen größer werden.