28.02.2024

Strapazierte planetare Grenzen als Risiko für Versicherer

Interview in der Zeitschrift für Versicherungswesen 02/2024 | Heftschwerpunkt Asset-Management

In dem kürzlich veröffentlichten Global Risks Report 2024 des World Economic Forums wurden insbesondere ökologische Risiken, darunter Extremwetterereignisse oder der Verlust an Biodiversität, als größte langfristige Risiken identifiziert. Was diese Risiken für Versicherungen und Pensionskassen, insbesondere für ihre Kapitalanlage und Risikomanagementsysteme, bedeuten, wurde Karsten Kührlings, Geschäftsführer der GLS Investments, im Interview mit der Zeitschrift für Versicherungswesen gefragt.

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Wie gut sehen Sie Versicherungen und Pensionskassen auf diese Risiken vorbereitet?

Versicherungen haben damit begonnen,sich mit dem Thema Nachhaltigkeit eingehend zu beschäftigen. Die zunehmenden Folgen des Klimawandels sowie neue regulatorische Anforderungen, z.B. aus der Offenlegungsverordnung, drängen sie dazu, über neue Lösungen nachzudenken und transparent darüber zu berichten. Es geht dabei aber nicht bloß um das Klima. Der Report des World Economic Forums zeigt auf, dass auch weitere Risiken, wie das Artensterben oder die Übersäuerung der Böden, weitreichende finanzielle Auswirkungen haben werden. Studien haben errechnet, dass der globale Wert an Ökosystemleistungen doppelt so hoch liegt wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt. Es droht somit auch eine massive Wertvernichtung.

Spiegeln sich diese Risiken in der Kapitalanlage von Versicherungen bereits wider?

Da sehen wir einen bemerkenswerten Widerspruch. Laut dem sechsten Sachstandberichtes des Weltklimarates müssen sich jährliche Investitionen in einigen Sektoren um mehr als das 20-fache erhöhen. Auch sind sich Versicherungen der zunehmenden Kosten aufgrund steigender Umweltschäden bewusst. Doch gerade in der globalen Betrachtung sehen wir, dass zahlreiche Versicherer dennoch in Branchen investieren - also Kohle, Öl und Gas -, die sich durch ihre schädlichen Auswirkungen negativ auf das eigene Geschäftsmodell erhöhen.

Was können Versicherungen tun, um diesen Widerspruch aufzulösen?

Versicherer gehören zu den größten Investoren am Markt. Mit ihren Aktivitäten können sie ein deutliches Zeichen gegen den Klimawandel setzen. Das tun sie mitunter auch. So engagieren sich Versicherungen in internationalen Netzwerken wie den Principles for Responsible Insurance oder haben gemeinsam mit Gleichgesinnten eigene nationale Initiativen wie das German Sustainability Netzwerk oder die Munich Climate Insurance Initiative gegründet. Diese Netzwerke ermöglichen den regulatorischen oder wissenschaftlichen Austausch zu aktuellen Fragestellungen.

Wie bewerten Sie diese Schritte?

Das sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch noch fehlen häufig bei Versicherungen Risikomanagementstrategien in der Kapitalanlage, welche das Thema ganzheitlich adressieren. Die Investments in fossile Energien tragen dazu bei, dass auf globaler Ebene unumkehrbare Kipppunkte überschritten werden, welche dramatische Folgen für das Klima, unsere Gesundheit und die Artenvielfalt auf diesem Planeten haben.

Welche Ideen haben Sie, dass Versicherungen die genannten Risiken besser adressieren?

Das Risikomanagement im Asset Management von Versicherungen sollte Investitionen gewährleisten, welche innerhalb unserer planetaren Grenzen bleiben. Hier gibt es spannende, wissenschaftliche neue Konzepte, welches die Gesundheit des Planeten als Basis für eine gesunde Menschheit in den Mittelpunkt rückt. Eingehend beschäftigen wir uns mit dem „Planetary Health“-Konzept. Dieses gibt gute Anhaltspunkte, wie sich ökologische Instabilität letztendlich auf unsere Gesundheit auswirkt. Versicherer und Pensionskassen könnten die Grundgedanken sowohl im Risikomanagement, als auch in der Kapitalanlage langfristig einfließen lassen.

Bietet das Planetary Health-Konzept auch Opportunitäten?

Wir erkennen insbesondere im Bereich alternativer Investmentfonds Opportunitäten für Investitionen, die innerhalb der planetaren Grenzen liegen und attraktive Renditen bei moderatem Risiko aufweisen. Das sind Strategien und Anlagen, bei denen Nachhaltigkeit ein zentraler Baustein des Geschäftsmodells und ein wesentlicher Treiber von Rendite, Risikoreduktion, Widerstandsfähigkeit und positiver gesellschaftlicher Wirkung ist. Studien zeigen, dass alternative Investments geringere Tail Risiken haben und eine hohe Resilienz aufweisen. Gleichzeitig können wir mit Investitionen in den Private Markets die größten realwirtschaftlichen Veränderungen bewirken.

Welche Investmentthemen halten Sie für besonders geeignet?

Besonders geeignet halten wir direkte Investitionen in die Bereiche nachhaltige Mobilität & Transport, Ressourceneffizienz & Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Ernährungssysteme. Uns geht es hier um echten Impact. Vor allem spezialisierte Fonds können durch ihre Kapitalallokation echten Impact erzielen und sind damit glaubwürdiger als ihre Pendants im öffentlichen Markt. Ein weiterer Pluspunkt: Diese Investitionen lassen sich auch glaubhaft gegenüber Versicherungskundinnen und -kunden in Gesprächen aufzeigen.

Zeitungsausschnitt: Karsten Kührlings im Interview mit der Zeitung für Versicherungswesen