14.07.2022

Impact Investing - es geht auch ohne Greenwashing

Wie entsteht Wirkung am Kapitalmarkt?

Immer mehr Investoren wollen mit ihrem Kapital eine nachhaltige Wirkung erzielen. Das Angebot an Fonds, welche genau solch eine Wirkung versprechen, wächst. Doch diverse Ermittlungen von Aufsichtsbehörden zeigen, dass viele Fonds nicht halten, was sie versprechen. Dabei hat der Gesetzgeber neue Verordnungen genau zu diesem Thema eingeführt. Wir wollen einmal näher hinschauen: Was ist Impact Investing, wie lässt es sich konkret umsetzen. Darüber haben Stefan Fritz, Spezialist Investmentfonds sowie Berenice Brügel, Senior Researchspezialistin Nachhaltigkeit bei der GLS Investments bereits im Juni auf dem Fonds Kongress besprochen. Im Interview haben wir nochmal nachgefragt. 

Die Europäische Kommission hat sich auf die Fahne geschrieben, Greenwashing zu bekämpfen. Dafür hat sie eine eigene Transparenz-Verordnung eingeführt, die so genannte Offenlegungsverordnung. Mit ihr sollen Fondsanbieter freiwillig angeben, welche Fonds nicht nachhaltig, etwas nachhaltig und sehr nachhaltig sind. Ist dies gelungen?


Stefan Fritz: Impact ist das Wort des Jahres am nachhaltigen Kapitalmarkt geworden. Für besonders nachhaltige Fonds hat der Gesetzgeber einen eigenen Artikel in der Offenlegungsverordnung definiert: Artikel 9. Impact- und Artikel 9-Fonds werden von vielen gleichgesetzt, obwohl der Begriff Impact in diesem Artikel gar nicht auftaucht. 


Wie unterscheiden sich diese Fonds von anderen Fonds?


Stefan Fritz: Sie müssen ein konkretes messbares Nachhaltigkeitsziel verfolgen. Das klingt erst einmal sehr gut. Doch der Teufel steckt im Detail. Jeder definiert Nachhaltigkeit anders. Das wird sehr deutlich an Analysen zu Artikel 9 Fonds. Beispielsweise hat Trym Riksen, Head of Portfolio Management von Gabler SA herausgefunden, dass in 70 Artikel 9-Fonds, die er sich angeschaut hat, 97 % der Titel des MSCI World Developed Markets enthalten sind. Überspitzt formuliert: Wenn wir der Einklassifizierung glauben, wäre somit der MSCI Index "nachhaltig“ .

 
Wie können Sie sich das erklären?


Stefan Fritz: Aus unserer Sicht gibt es kein einheitliches Verständnis, wie Investoren oder Investments Wirkung am Kapitalmarkt tatsächlich erzielen können. Es werden viele Begriffe und Ebenen miteinander vermischt, vor allem wer Wirkung erzielen soll – Investor oder das Investment?  Ein nachhaltiges Investment ist noch lange kein Impact Investment. 


Können Sie das näher erläutern? Wo liegen die Unterschiede? 


Berenice Brügel: Bereits 2016 hat eine englische Expertenkommission den Begriff Impact Investing vom Nachhaltigen Investieren abgegrenzt. Der Bericht, auch bekannt als Corley Report, führte  das so genannte Spectrum of Capital ein - ein Orientierungsrahmen, der zeigt welche verschiedenen Investitionsstile am Markt herrschen und in welchem Umfang diese Investitionsstile soziale und ökologische Aspekte adressieren - angefangen vom traditionellen Risiko-Rendite-basierten Ansatz bis hin zur Philanthropie. Beim Responsible Investment und Sustainable Investment liegt der Fokus auf die ESG-Risiko-Perspektive bzw. sollen positive Effekte für Stakeholder berücksichtigt werden. Impact Investing geht weiter. Hier geht es um alle Maßnahmen, die zu positiven sozialen und ökologischen Maßnahmen beitragen und dabei eine finanzielle Rendite erzielen. Es lässt sich unterscheiden zwischen Investitionen, wo die Rendite wichtiger als der Impact ist und Investitionen, wo Investoren bewusst eine unter dem Markt liegende Rendite eingehen. 

 

Bild in neuem Fenster anzeigen: vgl. Corley-Report, eigene Darstellung

Was sind die Hauptmerkmale des Impact Investing?


Stefan Fritz: Das führende Netzwerk für Impact Investing weltweit – das Global Impact Investing Network (GIIN) – hat eine Definition von Impact Investing entwickelt, die für das Impact-Verständnis am Kapitalmarkt maßgeblich geworden ist: „Impact investments are investments made with the intention to generate positive, measurable social and environmental impact alongside a financial return.“ Aus dieser Definition lassen sich vier Kernelemente ableiten, welche Impact Investing von anderen Investmentstilen abgrenzt:

  • Intentionalität: Der Investor muss die Absicht haben, eine Wirkung zu erzielen – als sozial-ökologische Investorin ist das in unserer DNA bereits enthalten.
  • Additionalität: Ein Impact Investing muss einen sozialen und/oder ökologischen Mehrwert bieten– der Mehrwert kann über verschiedene Wege geschaffen werden.
  • Messbarkeit: Dieser Mehrwert muss messbar und belegbar sein. 
  • Und um es zur Philanthropie abzugrenzen erwarten Investoren eine finanzielle Rendite. 

Wie lässt sich das am Kapitalmarkt umsetzen?


Berenice Brügel: Entscheidend ist die Frage: Auf welcher Ebene wird der sozial-ökologische Mehrwert geschaffen? Kann der sozial-ökologische Mehrwert eines Unternehmens, in das ein Investor investiert, ihm zugerechnet werden? Am nachhaltigen Kapitalmarkt sowie in der Forschung, vor allem an den Lehrstühlen der Universitäten in Kassel, Hamburg und Zürich, wird derzeit intensiv darüber diskutiert. Insbesondere bei Investitionen über den Börsenhandel („Sekundärmarkt“) fließt das Kapital an einen anderen Investor, aber nicht in das Unternehmen selbst. Ein direkter Wirkzusammenhang ist faktisch nicht nachweisbar. Insbesondere sind Verbraucherzentralen gegen Darstellungen mancher Asset Manager gerichtlich vorgegangen, die genau diesen Zusammenhang machen wollten.
Ausgangsfrage muss also sein: Kann der Investor durch sein Handeln tatsächlich eine realwirtschaftliche Veränderung bewirken? Dazu hat er aus unserer Sicht drei Werkzeuge – wir nennen sie Wirkhebel -  in der Hand: 1) Er kann ein Signal setzen, wie er wirken will; 2) er kann Kapital direkt an wirkungsstarke Unternehmen bereitstellen und er kann 3) in den Dialog mit Unternehmen gehen. 
 

Wie sieht dies konkret aus?


Stefan Fritz: Als Tochtergesellschaft einer Bank, die seit ihrer Gründung 1974 nur nachhaltig investiert hat, zeichnen wir ein positives Bild einer künftigen Gesellschaft. Es geht für uns dabei um eine umfassende sozial-ökologische Transformation. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Es wäre also undenkbar, in alle Titel des MSCI World zu investieren. Stattdessen haben wir zukunftsweisende Geschäftsfelder definiert. Wir investieren in Erneuerbare Energien – kein Erdöl, keine Kohle, keine Atomkraft. Wir fördern nachhaltiges Wohnen, Bildung und Kultur, Ernährung, Soziales und Gesundheit oder nachhaltige Mobilität  wie Fahrradhersteller oder Schienenverkehrsunternehmen. Die genaue Definition finden Investoren transparent in öffentlich zugänglichen Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen. 
Zugleich beziehen wir gemeinsam mit weiteren Nachhaltigkeitshäusern einen Standpunkt in der Impact-Debatte und haben Impact-Leitlinien veröffentlicht, wie aus unserer Sicht über die Wirkung von Investitionen berichtet werden sollte. 

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Und wo stellen Sie aus Wirkungssicht nun am liebsten Kapital zur Verfügung?


Berenice Brügel: Wir wollen ja das Kapital dorthin lenken, wo es gebraucht wird – aber wo wird Kapital gebraucht? Dort wo es nicht so einfach zugänglich ist, also in unterversorgten Bereichen. Am Primärmarkt können wir Unternehmen über Aktien und Anleihen Kapital zur Verfügung stellen, ebenso können wir Darlehen an Mikrofinanzinstitute vergeben. Wenn wir aus der Wirkungs-Perspektive jeweils eine Stufe weiter gehen, können wir insbesondere versuchen, den Unternehmen Kapital bereitzustellen, die unterversorgt sind ebenso wir Darlehen an Mikrofinanzinstitute in unterversorgten Bereichen. Über die finanzielle Unterstützung von unterversorgten Projekten können Investoren besonders wirksam sein.

Haben Sie zwei konkrete Beispiele?


Berenice Brügel: Wir haben erstens am Börsengang des niederländischen Unternehmens Alfen Beheer B.V. teilgenommen. Das Unternehmen entwickelt und produziert Energiespeichersysteme, Ladestationen für Elektrofahrzeuge sowie Komponenten für intelligente Netze und Stromnetzautomatisierung. Dazu bietet es Verwaltungs- und Wartungsdienstleistungen an. Seit 2008 wurden mehr als 35.000 Ladestationen weltweit ausgeliefert – ein aktiver Beitrag zu einer klimafreundlicheren Welt. 
Zweitens unterstützen wir finanziell unterversorgte Projekte. So haben wir mehrtägige Schulungen zum Pestizideinsatz in Nicaragua und Ecuador für Kunden von Mikrofinanzinstituten organisiert, in die wir investiert sind.  Ausgewählte lokale Expert*innen vermittelten den Teilnehmer*innen die theoretischen und praktischen Grundlagen zur Nutzung von pestizidfreien Anbaumethoden, u.a. auf Basis leicht verständlicher Broschüren. Insgesamt nahmen 143 Kleinbäuer*innen und 50 Kreditmanager*innen der Institute an den Schulungen teil. Dieses Angebot von Schulungen kann eine sehr große und langfristige, nachhaltige Wirkung haben kann 


Ein anderer Wirkhebel ist der Dialog mit Unternehmen. Wie sieht dieser bei Ihnen aus?


Berenice Brügel: Wir betreiben ja ein umfassendes internes Nachhaltigkeitsresearch und überwachen die Unternehmen, in die wir investieren, regelmäßig auf ihre Nachhaltigkeit. Dadurch haben wir aktuelle Anhaltspunkte, um Unternehmen zu kontaktieren und Forderungen zu stellen. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen:  Der jährliche AllBright-Report hat gezeigt hat, dass einige von den untersuchten Unternehmen sich im Jahr 2021 eine Zielquote von 0% Frauen im Vorstand gesetzt haben. Hier fordern wir im Mindesten von den Unternehmen eine Quote größer 0 und versuchen Unternehmen, dich sich in unserem Anlageuniversum befinden, für die Relevanz des Themas zu sensibilisieren. Ebenfalls schauen wir uns sehr genau die jährliche US-amerikanische Untersuchung zum  Toxic 100 Air and Water Polluters Index an. Wir fordern Unternehmen auf, transparent zu den Emissionen (Luft oder Wasser) zu berichten Reduktions-Strategien aufzustellen. Die Antworten von Unternehmen helfen uns, die sozial-ökologischen Bestrebungen besser einzuschätzen und werden in der finalen Beurteilung berücksichtigt.

Vielen Dank für die konkreten Beispiele. Zum Abschluss die Frage: Welche Botschaften wollen Sie Lesern mitgeben, die sich für Impact Investing interessieren?


Stefan Fritz: Ich würde gerne 4 Botschaften mitgeben: Zunächst, passen Sie auf in Bezug auf die regulatorische Positionierung. Ein Artikel 9-Fonds ist nicht zwangsläufig ein Impact-Fonds und bietet keinen 100%-Schutz gegen Greenwashing.
Wirkung braucht stets ein positives Zukunftsbild. Etablierte Nachhaltigkeitshäuser haben häufiger solch ein Bild als die Häuser, die sich erst seit kurzem mit dem Thema befassen. Drittens stellen Sie sich immer die Frage: Wer ist für die Wirkung verantwortlich – der Investor oder das Investment? Und viertens lassen Sie sich konkrete Beispiele geben, was Wirkung denn bedeutet. Dann können Sie selbst einschätzen, wie ernst Anbieter es meinen.

Vielen Dank für das Gespräch